Mittelgebirge unter Strom – Windenergie im Gegenwind

22.03.2012

Am 08. März 2012 wurde auf der ITB das Thema: ‚Mittelgebirge unter Strom - Die Bedeutung der Energiewende für die Tourismuslandschaft' (www.deutschemittelgebirge.de) diskutiert. Kommt nach der Verspiegelung (Solaranlagen) jetzt die Verspargelung (Windkraftanlagen) und wie wird diese Entwicklung von unterschiedlichen Akteuren gesehen?

T. Bollacher, M. Tressel, C. Krull, C. Wachholtz, K. Ochel-Spies, Dr. H. Puhe, Dr. P. Zimmer

Mit diskutiert haben u.a. Christopher Krull, GF Schwarzwald Tourismus GmbH; Dr. Henry Puhe, GF SOKO Institut für Sozialforschung und Kommunikation, Bielefeld; Markus Tressel Tourismuspolitischer Sprecher Bündnis 90/DIE GRÜNEN; Carsten Wachholtz, Stellv. Fachbereichsleiter Umweltpolitik und Naturschutz, NABU; Tilman Bollacher, Landrat Landkreis Waldshut; Karin Ochel-Spies, Bürgerinitiative Gegenwind-Soonwald.

Unter der Moderation von Dr. Peter Zimmer sprachen sich grundsätzlich alle Vortragenden und Anwesenden für erneuerbare Energien und einen Ausstieg aus der Atomkraft aus.

Auch die Tourismusbranche hat einen hohen Energiebedarf. Aber gleichzeitig wurde auch ein klassisches Dilemma sehr deutlich: In dem Maße wie jetzt zügig und z.T. unausgewogen die Umsetzung erfolgt, sind die Mittelgebirge in ihrer Attraktivität massiv gefährdet. Die wirtschaftliche Bedeutung des Tourismus für die Mittelgebirge ist immens. Im Schwarzwald hängen z.B. 8 Mrd. Bruttoumsatz sowie 184.000 direkte  und 551.000 indirekte Arbeitsplätze vom Tourismus ab.

Die Mittelgebirge müssen sich Sorgen machen, wenn ihre Attraktivität massiv eingeschränkt wird. Mit 93 Prozent und weitem Abstand zu anderen Reisentscheidungsgründen wird von den Schwarzwaldgästen die Attraktivität der Landschaft genannt. Diese Zahlen wurden von den anderen Mittelgebirgsvertretern bestätigt. Das Landschaftsbild ist das Pfund, mit dem sie wuchern können. Noch, denn wenn alle Planungen realisiert werden, dann wird sich das Landschaftsbild massiv verändern. Eine Windkraftanlage benötigt rund 3.000 qm dauerhaft baumfreien Grund, Rodungen für Zuwegungen, Kranstellflächen,  Zufahrtswege Beim Bau sowie im Betrieb gibt es Licht und Lärmemissionen, Störungen durch erhöhte Besucherfrequenz (Betriebsführung und Wartung). Insekten und Fledermäuse werden angelockt, Vögel zerfetzt (Kollisionsrisiko). In den nächsten zehn Jahren sollen allein im Schwarzwald bis zu 700 neue Windkraftanlagen entstehen.

Der massive Ausbau der erneuerbaren Energie führt außerdem noch zu  weiteren Belastungen und Beeinträchtigungen der Mittelgebirge. Die verstärkte Nutzung der Wasserenergie führt zum Ausbau von Pumpspeicherwerken in bester Lage. Der massive Maisanbau als Biomasse führt zu einem eintönigen Landschaftsbild. Radler werden entlang schier endloser, unattraktiver Maisfelder geführt. Aber auch durch den zunehmenden LKW-Verkehr im ländlichen Raum selbst auf abgelegen Strecken wegen der Belieferung von Biogasanlagen.

Zahlen, wonach mit zunehmender Verjüngung der Besucher sich die Akzeptanz von Windkraftanlagen verbessern würde, wurde von den Teilnehmern massiv in Frage gestellt. Im Gegenteil. Untersuchungen der letzten zehn Jahre in verschiedenen Mittelgebirgsregionen kommen zu dem Ergebnis, dass rund 20 Prozent der Gäste wegbleiben würde, wenn es solche Beeinträchtigungen der Attraktivität gäbe. Dies würde heute im Schwarzwald 1,6 Mrd. Euro weniger Umsatz und der Verlust von 147.000 Arbeitsplätzen (37.000 direkt, 110.000 indirekt) bedeuten.

Die Windkraftbetreiber argumentieren auch ökonomisch und bieten verlockende Konditionen, sowohl den Gemeinden, denen etwa die Einnahmen aus der Jagdpacht oder der Holzwirtschaft fehlen und ihnen plötzlich ein Geldquell geboten wird. Aber auch dem einzelnen Grundstücksbesitzer oder Landwirt, der statt seiner mageren Erträge aus der Viehwirtschaft plötzlich pro WKA eine Pacht von 50.000 Euro bekommen kann. Wer würde es ihm verdenken, da nicht zu zuschlagen?

Der Vergleich mit der Entwicklung der Solarenergie zeigt sehr deutlich, wie solche Veränderungen schleichend erfolgen. Hier ein Solardach, dort ein Solarpanel, ob auf dem Haus- oder Scheunendach oder im freien Felde ein ganzer Solarpark. Plötzlich stellt man fest: Hoppla, unsere bisherigen Ortsbilder mit ihren traditionellen Dachlandschaften haben sich verändert. Vor der „Verspargelung" kam bereits die „Verspiegelung". Das Beispiel mit dem Frosch wurde zitiert, der, wenn er in kochend heißes Wasser geworfen würde ruckzuck rausspringt. Würde er aber in kaltes Wasser geworfen, dieses langsam zum Kochen gebracht, würde er drin bleiben und sterben.

Als Résumé der aufrüttelnden Konferenz will der Bundesverband der Deutschen Mittelgebirge folgende Konsequenzen ziehen:

Um zu zeigen, dass sie durchaus die Zeichen der Zeit erkannt haben und sich tatsächlich zu der Notwendigkeit der Energiewende bekennen, sollten die Mittelgebirge  mit gutem Beispiel voran gehen. Dazu gehört,  nachhaltige Tourismuskonzepte in den Dimensionen Ökonomie, Ökologie und Soziales umzusetzen, mit hoher Energieeffizienz, zeitgemäßen Abfallkonzepten, sanfter Mobilität, dem Einsatz regionaler Produkte etc.

Kontakt: Dr. Peter Zimmer