30 Jahre Leitbilder im Tourismus

14.01.2021

FUTOUR und der Nieheimer Käsemarkt

Es gibt heute kaum noch eine touristische Region, die nicht über ein Leitbild versucht, ihren Stellenwert zu hinterfragen und Zukunfts-Visionen aufzubauen. Aber werden die Leitbilder diesem Anspruch auch gerecht? Immerhin gibt es Regionen, die mittels einer Evaluierung auch regelmäßig eine Novellierung einleiten. Und es gibt daneben auch die Fälle, wo es beim einmal erstellten Leitbild geblieben ist.

Will man sich mit der Zukunft seiner Tourismus-Region auseinandersetzen, dann darf dies nicht bei Momentaufnahmen bleiben. In dieser dynamischen Zeit kann man nur von einer zukunftsfähigen Strategie sprechen, wenn alle vergangenen Entscheidungen auch immer wieder auf den Prüfstand gestellt werden. Dies muss nicht bedeuten, dass in einem bestimmten Zeitrhythmus alle Strategien über den Haufen geworfen werden und sich erneut einem gewandelten Zeitgeist angepasst wird. Dann kann aus einer ggf. vorschnell neu ausgerichteten Profilierung sehr schnell die Ernüchterung folgen und aus dem Leitbild wurde ein Leidwesen. Erfolgreiche Leitbild-Diskussionen zeichnen sich dadurch aus, dass ihre jeweilige Novellierung genutzt wird, das Profil noch deutlicher zu schärfen.
Dies ist wie bei erfolgreichen Marken. Diese zeichnen sich – selbst über 100 Jahre – nur durch nuancierte Änderungen des jeweiligen Markenbilds aus. Wer dieses Prinzip nicht beherzigt, dem gibt der Markt in der Regel sehr schnell eine Antwort. Natürlich spricht nichts selbst gegen einen Paradigmenwechsel, aber das muss sich dann schon sehr gut herleiten lassen und dabei auch noch vielversprechende neue und vor allem dauerhafte Optionen eröffnen, die auch von den Dienstleistern aktiv mitgetragen werden. Aber dies dürften eher Ausnahmen sein.
FUTOUR hat in den letzten 30 Jahren zahlreiche Tourismus-Regionen und Unternehmen bei der Leitbild-Entwicklung aktiv begleitet. Auch da gab es Höhen und Tiefen und nicht immer die erhofften Erfolge. Aber es hat sich gezeigt, dass überall dort, wo dies kontinuierlich über die Jahre erfolgte, sich auch eine eindeutig wiedererkennbare Profilierung eingestellt hat.

Nieheimer Käsemarkt

Ein Beispiel ist das Tourismus-Leitbild der Stadt Nieheim/Ostwestfalen. Die Weserrenaissance-Baukultur, die attraktive Kulturlandschaft mit den einprägsamen Flechthecken, die „Nähe“ zum Teutoburger Wald, all das konnte im intensiven Leitbild-Dialog nicht eine echte Alleinstellung mit Wettbewerbs-Charakter bieten. Die FUTOUR-Anregung, dafür den „Nieheimer Käse“ herzunehmen, überzeugte zunächst niemanden. Dabei gab es ja nur noch eine kleine Käserei – einst waren es nahezu 100 – aber der kleine Sauermilchkäse eignete sich als „kleinster Käse Deutschlands“ für eine Profilierung. Auf der Suche nach der Unverwechselbarkeit der 3.500-Einwohner-Kleinstadt, kam dann der kreative Geist der Leitbild-Diskussionen zugute. Dort wurde mit Stolz auf den früheren Nieheimer Käsemarkt verwiesen, als dieser Markt noch regelmäßig unzählige Kunden aus dem nahen Umland anlockte. Einen Käsemarkt gab es im Jahr 1996 nicht in Deutschland, auch nicht - wie zunächst vermutet - im Allgäu.
Die Idee setzte sich durch, seither wird alle zwei Jahre der „Deutsche Käsemarkt“ ausgerufen, bei dem mit rund 80 Ausstellern und bis zu 500 verschiedenen Käsesorten die national bedeutendste Käsepräsentation entstand. Bis zu 80.000 Besucher - darunter viele Fachbesucher - lockt der Markt regelmäßig an. Die „Süddeutsche Zeitung“ adelte Nieheim halbseitig als „Käse-Hauptstadt Deutschlands“ und die Bürger*innen sind seit dieser Zeit mächtig stolz auf ihren Käse und ihr nun über 25 Jahre kontinuierlich gepflegtes „Käse-Profil“.

www.kulturland.org  (nächster Nieheimer Käsemarkt: 02.-04.09.2022)

Kontakt: Dieter Popp